Der Pausenhof als 3D Modell
Der Geograph Florian Haas erklärte Schülern des Willibald-Gymnasiums die Handhabung modernster Bildtechnik.
„Die Gletscher werden verschwinden“, da ist sich Dr. Florian Haas ganz sicher. „Dies ist nicht mehr zu verhindern.“ Aber weil die Ursachen in der Vergangenheit liegen, ist das Anliegen der aktuellen Forschung ein vollkommen Anderes: Man will verstehen, will Zusammenhänge herstellen und will damit in die Zukunft schauen.
In diesem Sinne untersucht ein großes Forschungsprojekt an der Katholischen Universität Eichstätt, an der Florian Haas im Bereich Physische Geographie arbeitet, die zu erwartenden Auswirkungen des Klimawandels. „Forschungsarbeit gleicht dabei Schatzsuche und Schnitzeljagd zugleich“, heißt es in dem Beitrag des Bayerischen Rundfunks über das Projekt. Grundlage sind neben alten Fotos vor allem dreidimensionale, digitale Landschaftsmodelle, die zum Teil vom Hubschrauber aus aufgenommen werden, zum Teil aber auch über den Einsatz von Drohnen.
Doch in der vergangenen Woche änderte Haas dafür seinen Arbeitsplatz: Nicht wie üblich stieg er in einen Hubschrauber und nahm mit leistungsstarken Laserscannern die Bergwelt auf. Nein, er begab sich ans Willibald-Gymnasium und bot interessierten Schülerinnen und Schülern Einblick in seine Forschungsarbeit. Ziel der Veranstaltung war es ein digitales, dreidimensionales Modell eines Pausenhofausschnitts zu erstellen, dieses in Google Earth zu verorten und den Schülern die Prinzipien „hinter den Kulissen“ vorzustellen.
40 Schülerinnen und Schüler verlängerten freiwillig ihre Schulwoche um den Freitagnachmittag und folgten gespannt dem vielschichtigen Vortrag. Dem Referenten ging es nicht vordergründig um das Was und Wozu. Er wollte, dass die Schülerinnen und Schüler verstehen, wie die eingesetzte Software arbeitet. Anspruchsvoll, aber immer auf dem Verständnishorizont der Schülerinnen und Schüler, führte er die Anwesenden über die biologischen Voraussetzungen des dreidimensionalen Sehens beim Menschen zurück zu den Anfängen der Photogrammetrie, der Aufnahme und Auswertung photographischer Messbilder.
Mehrere, bereits antiquarische Stereoskope waren aufgereiht. Tief beugten sich die Schülerinnen und Schüler über die Sichtlöcher. Spiegel lenkten den Blick der Augen auf Teilbilder, in diesem Fall auf alte Aufnahmen von Eichstätt, und der Eindruck eines dreidimensionalen Stadtmodells entstand. Die Schlange war lang, keiner wollte sich das entgehen lassen.
Dabei durften die Schülerinnen und Schüler „hautnah“ erleben, was Photogrammetrie heute leistet. „Die Messungen werden nicht direkt am Objekt vorgenommen, sondern indirekt anhand von digitalen Modellen, die aus einer Reihe sich überlappender Fotos aus unterschiedlicher Perspektiven errechnet werden“, erklärte Haas. Das wollten die Schüler natürlich ausprobieren: Eine Schülerin saß Modell und wurde von einem Fotografen umkreist. Mit der entstandenen Fotoserie wurde der Computer gefüttert und in Windeseile baute sich auf dem Bildschirm ein dreidimensionales Bild der Schülerin auf. Noch etwas ungenau an der ein oder anderen Stelle, aber eindeutig wieder zu erkennen, da waren sich die staunenden Schüler einig. „Das ist jetzt aber noch nicht in der richtigen Größe?“, traf ein Schüler prompt den Knackpunkt der weiteren Überlegungen. In der Geographie heißt die Lösung GPS, zentimetergenaues GPS wohlgemerkt. Plötzlich spielten für die Funktionsweise der GPS-Messungen die nicht ganz runde Form der Erde, die Schwerkraft, die Atmosphäre sowie die relativistische Zeitdilatation (relativistischer Gangunterschied von Uhren) eine Rolle, also Albert Einstein und seine Relativitätstheorien.
Nach so viel erhellender Theorie gelangte der Nachmittag zu seinem Höhepunkt: Rote Filzquadrate mit kreisrunden Reflektoren wurden auf dem Pausenhof als Orientierung ausgelegt, Koordinaten über GPS-Messungen zugeordnet und dann konnte die Drohne endlich starten. Gekonnt lenkte ein Schüler sein Flugobjekt in Schlangenlinien über den Pausenhof und nahm Foto um Foto auf. Schnell ging es zurück ins Klassenzimmer. Die ungebrochene Begeisterung des Referenten war zu diesem Zeitpunkt längst übergesprungen. Fasziniert beobachteten die Schülerinnen und Schüler, wie auf der Tafel innerhalb weniger Minuten ein 3D-Modell des Pausenhofausschnitts entstand, das sich tatsächlich auf Google Earth einbetten ließ. Für den Druck eines finalen 3D-Modells reichte an diesem Freitag die Zeit nicht mehr, aber Herr Hass stellte die errechneten Daten zur Verfügung, so dass die Schüler mit dem schuleigenen 3D-Drucker ihr eigenes Pausenhof-Modell erstellen konnten.
Aber was wäre diese Software ohne die passende Hardware. „Gaming-Computer sind hervorragend geeignet“, wusste Haas zu berichten. Ein Leuchten zog über so manches Gesicht der Anwesenden. Vielleicht wich an diesem Abend das ein oder andere Spiel auf dem heimischen Computer der Demoversion dieser Software.